Montag, 11. März 2013

Fukushima - Realitätscheck

Hier ein kurzer Überblick über den Stand der Katastrophe des Kraftwerks von Fukushima.

Lage direkt am Ort des Unglücks:
  • Es gibt hier die sehr stark kontaminierte Kraftwerksruine, deren Entsorgung bislang technologisch nicht möglich ist. Wo sich die Unmengen stark radioaktiver Stoffe aus den Kernen befinden und wie diese geborgen und entsorgt werden sollen ist bislang unklar. Als Erfolg gilt nunmehr schon, dass die Eskalation der Situation wahrscheinlich beendet ist. Die Strahlungswerte steigen nicht mehr, es gibt keine spontanen Entzündungen mehr, die Kühlung gilt als sichergestellt. Die Situation wird als "stabil" bezeichnet. (Auf welchem Level wird allerdings medial selten deutlich kommuniziert)
  • Die Arbeit auf dem Kraftwerksgelände ist nur unter starken Sicherheitsvorkehrungen möglich. Einzelne Bereiche sind nicht betretbar und können maximal von Robotern "untersucht" werden. Wobei auch für Roboter das Umfeld mehr als kritisch ist.
  • Die Reaktorgebäude befinden sich in unklarem Zustand. Eine genaue Untersuchung der Bausubstanz ist aus obengenannten Gründen nur schlecht, bzw. garnicht möglich.
  • Die Reaktorkerne sind zerstört, Containments sind undicht. Dementsprechend gibt es einen regen Materialaustausch mit der Umwelt. Kontaminiertes Wasser (aus Kühlung, Grundwasser) gelangt völlig unkontrolliert in die Umwelt. Aber auch direkt in die Luft werden radioaktive Partikel abgegeben.
  • Das Meer vor Ort ist daher verseucht. Diese Verseuchung ist fortwährend und bislang ist unklar, wie diese jemals gestoppt werden kann
(Kleines Detail am Rande: Während der ersten Wochen verließ das eilig hineingepumpte Kühlwasser den Reaktor schlicht und einfach wieder Richtung Meer. Es gab Zahlen, wieviel Wasser stündlich gepumpt wurde. Nie wurde jedoch von unseren Journalisten auch mal gefragt, wo das ganze stark kontaminierte Wasser eigentlich danach verbleibt.)

Umfeld des Kraftwerkes:
Der massive verlust von radioaktiven Kernmaterial während der ersten Wochen der Katastrophe hatte die Kontamination großer Landflächen zur Folge. Dem wurde mit einer Evakuierungszone begegnet. Diese umfasste ein kreisförmiges Gebiet um das Kraftwerksgelände herum. Die Kontamination erfolgte allem Anschein nach jedoch sehr ungleichmäßig. Es gibt also relativ unbelastete Gebiete innerhalb der Evakuierungszone, als auch sehr belastete Gegenden ausserhalb der Zone. Die Erfassung genauer Messwerte ist sehr auswendig (die Kontamination ist zum Teil sehr lokal) und auch heute - zwei Jahre nach der Katastrophe - noch längst nicht abgeschlossen. Die Menschen leben in Ungewissheit und in Zweifeln. Besonders die Evakuierten hat es hart getroffen. Für diese Menschen ist bislang unklar, wann und ob sie jemals wieder in ihre Häuser zurückkehren können.
Eine Entseuchung der betroffenen Gebiete ist wahrscheinlich unmöglich. Oberirdische Bauten müssten entsorgt werden. Dann müssen die oberen Bodenschichten bis in eine bestimmte Tiefe abgetragen und ebenfalls entsorgt werden. Dabei darf kein Staub entstehen. Die abzutragende Tiefe vergrößert sich zudem mit zunehmender Dauer. Man hat es also neben dem wahrlich ungeheuren Aufwand der Abtragung und Ersetzung des Mutterbodens mit einer unglaublichen Menge an "endzulagernden" Material zu tun.
Es steht zu befürchten, dass das kontaminierte Material nicht endgelagert werden kann und einfach - wie Teile des Kühlwasser bislang - ins Meer verbracht wird. Also verdünnt wird. Dieses Vorgehen entspräche im Grunde einfach der kompletten Verklappung der tonnenschweren Reaktorkerne!

Nochwas: Wirtschaftlich ist die gesamte Präfektur Fukushima stark in Mitleidenschaft gezogen. Produkten aus dieser Region haftet ein Stigma an.

Japans Gesellschaft:
Die Monströsität der Nukleartechnologie hat sich in Tschernobyl schon einmal gezeigt und auch gesellschaftliche Unzulänglichkeiten offenbart: Zum einen zerbrach der Glaube an die grundsätzliche Beherrschbarkeit jeglicher Technologie, zum anderen wurden die Grenzen der "Glasnost"-Politik deutlich. Die Katastrophe hat das Vertrauen der Sowjetbürger in ihren Staat erschüttert und so durchaus ihren Beitrag zum Untergang des Sowjetreiches geleistet.

Die Implikationen der Fukushimakatastrophe auf die japanische Gesellschaft sind noch unklar. Aber auch hier scheint das Vertrauen der Bürger in die Vorgaben der politischen und wirtschaftlichen Elite stark erschüttert. Welche Konsequenzen dieser Vertrauensbruch haben wird, wird sich noch zeigen.

Fazit:
Vor zwei Jahren - am dritten Tag der Katastrophe - schrieb ich hier im Blog:
Wie lange man braucht, um die offenen Wunden, aus denen nun das unsichtbare Gift die Umwelt permanent kontaminiert, wieder zu schließen, lässt sich nicht abschätzen. Das Maß der Folgeschäden ist nicht zu erwägen [..]
Leider ist das tatsächlich noch immer Stand der Dinge - und so wie es aussieht wird sich daran auch so schnell nichts ändern.
Die Medienberichterstattung zeigt allerdings im Allgemeinen ein Bild der Gewöhnung: Evakuierte Gebiete, stabile Verhältnisse im Kraftwerk. kleinere Entsorgungsprobleme ... aber kein grundsätzliches Infragestellen der Technologieanwendung.

Welches konkretes Leid entstanden ist (und entsteht) und das sich eine solcher Katastrophe jederzeit auch hier ereignen könnte wird also in der Regel nicht berichtet.
Wie auch nach Tschernobyl wird von bestimmten Interessenvetretern argumentiert, der Unfall hätte kein einziges(!) Menschenleben gefordert, er wäre ein Einzelereignis, welches zukünftig sicher verhinderbar wäre. Und Braunkohleenergie wäre sowieso statistisch betrachtet viel tödlicher.

Offenbar: Unsere Gesellschaft ist dumm und verdrängt recht gerne unangenehme Einsichten.

Und jetzt noch einige Lese- und Schautipps:

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